Adam Opel steht wie seit Jahrzehnten einsam und geduldig auf dem Bahnhofsvorplatz. Der Ausgangspunkt des Klassikertreffen Rüsselsheim 2024, direkt vor dem ehemaligen Opel-Hauptportal. Während ihm und den vereinzelten Besuchern das Wasser vom Gesicht bis in die Unterhosen läuft, begießt man sich im Rathaus der Stadt Rüsselsheim, dem Veranstalter des Klassikertreffen 2024, wahrscheinlich mit Sprudelbrause und klopft sich auf die Schultern. Zumindest wenn man den sozialen Kanälen der Stadt Glauben schenkt. Dort schreibt man über sich selbst: „#Klassikertreffen in Rüsselsheim: Das neue Konzept geht auf …!“. Gut, wenn das interne Ziel war, ein verregnetes Stadtfest in einer trostlosen Lost-Place-City mit vereinzelten alten Autos zu veranstalten, können auch wir nur sagen: Chapeau, Ziel konsequent erreicht.
Keine Anmeldung – Rückwärtsgang!
Wir starten auf einem der Parkplätze, die freundlicherweise von der Firma Opel, Partner des Klassikertreffen Rüsselsheim 2024, kostenfrei zur Verfügung gestellt werden. In unserem Fall bedeutet das, dass wir am Portal D stehen, dem ehemaligen Eingang zur Opel-Personalabteilung, zusammen mit weiteren Besuchern und ehemaligen Teilnehmern. Dass man sich in diesem Jahr vorab anmelden musste und nicht einfach hinfahren konnte, hat wohl nicht jeder mitbekommen. Auch nicht, dass die Zahl der Oldtimer von deutlich über 3.500 auf spärliche 640 Fahrzeuge reduziert wurde. Von denen waren nach unserer Schätzung, wetterbedingt, nur ca. 250-300 vor Ort. Die freien Plätze wurden dann nicht einfach gefüllt. Nein, nein, das geht natürlich nicht. Keine Anmeldung – bitte zurücksetzen. So kam es, dass auf dem abgelegenen Parkplatz neben uns ein Jaguar E-Type steht, Besucher mit einem top aufbereiteten Opel-Youngtimer, die extra aus den Niederlanden angereist waren, und viele weitere schöne Autos aus den 60er bis 90er Jahren. Nicht zu erwähnen sind die zahllosen umherirrenden Klassiker, die nicht wussten, wohin. Einige, so beobachten wir, sind anscheinend so genervt, dass wir sie nur noch auf der Ausfallstraße Richtung Autobahn fahren sehen. Um 10 Uhr morgens!
Opel Classic Magazine zeigt die Realität zum Klassikertreffen Rüsselsheim 2024
Aber lasst uns losgehen, vom trostlosen Parkplatz außerhalb des Events. Wir haben immerhin einen ca. 2 km langen Fußmarsch vor uns, One-Way, wenn wir zu den Opel-Villen, dem alten Eventbereich, wollen. Durch eine schmucklose Unterführung entlang der Bahngleise erreichen wir nach kurzer Zeit den Bahnhofsvorplatz. Hier sollen US-Cars stehen, und dem ist auch so. Gut, mittendrin stand ein Mercedes-Benz /8, aber als wir gegen 10 Uhr ankamen, fuhr er gerade los. Es entzieht sich unserer Kenntnis, ob er plötzlich merkte, dass er gar kein US-Car ist, oder ob er angesichts des wunderschönen Betonplatzes vor dem Bahnhof die Lust verlor und einfach fuhr.
Man muss aber positiv festhalten, was eine Stadtverwaltung sicherlich hervorragend kann – Ordnung schaffen. So stehen die Autos nicht schön drapiert, sondern, man mag es kaum glauben, eine schier göttliche Fügung hat schon Parkflächen auf den harten grauen Beton aufgemalt. So stellte man einen Teil der Fahrzeuge einfach so hin, als wären sie alltägliche Bahnkunden, die auf die Ankunft der Liebsten warten. Wunderschön und ordentlich.
Klassikertreffen Rüsselsheim – Opel Classic brillierte mit besonderen Fahrzeugen aus der Werkssammlung
Im Innenhof des Opel-Altwerks, nur wenige Schritte vom Bahnhof entfernt, erhellte sich unser Gesicht trotz des dunklen Wetters. Hier hatte Opel Classic einen von mehreren Standorten mit Fahrzeugen aus der eigenen Werks-Sammlung bestückt. Ob das Sicherheitsfahrzeug OSV 40 aus den 70er Jahren oder der Tigra mit V6-Motor, eine Studie, die so nie gebaut wurde – hier kamen Autofans auf ihre Kosten.
Leider war die gute Stimmung vom Eingang schnell verflogen. Schon nach einem Gang ist Schluss mit Oldtimer-Schauen, weil einfach keine da sind. Gut, vereinzelt steht mal ein Wagen vor einem Schrottcontainer, ein anderer hinter Gestrüpp und neben Mülltonnen. Wobei uns diese und Absperrgeländer auf dem gesamten Weg begleiten werden. Es scheint eine Art Expressionismus der Stadt Rüsselsheim zu sein.
Walking of the Dead – Live in Rüsselsheim
Auf geht’s, kommt mit, auf unserem Gang durch die tote Industriestadt Rüsselsheim, die mit dem neuen Klassikertreffen-Konzept wohl aufgewertet werden soll. Auf unserem Weg, vorbei an geschlossenen Geschäften und zahlreichen Fast-Food-Läden, entdecken wir ab und zu sogar einen Oldtimer. Etwas verloren standen teilweise tolle Fahrzeuge in der Fußgängerzone herum. Gut, wer morbide Lost-Place-Areas mag, wird hier überglücklich.
Stadtkern – Keine Autos, keine Besucher, kein Essen
Zur Mittagszeit erreichen wir den Marktplatz. Wunderbar, ein Imbisswagen mit wenig Andrang. Jedoch ist der Wagen zu ¾ leer. Ein Besucher neben uns fragt, was es denn noch gäbe. „Rindswurst aus, Leberkäsebrötchen nicht dabei, aber wohl letzte Bratwürste und hier kalte Räucherware wie Pfefferbeißer.“ Davon scheint der Besucher des Klassikertreffen Rüsselsheim an diesem nasskalten Tag nicht geträumt zu haben. Er schüttelt den Kopf und äußert die Frage, was ein um 12:30 Uhr fast leerer Imbisswagen auf einem Event zu suchen hätte? Wir hatten leider auch keine Antwort. Den Bürgermeister und Veranstalter dieses, nach eigener Aussage, Premium-Events, Patrick Burghardt, konnten wir ad hoc nicht fragen, so freuten wir uns, eines der Bratwurstbrötchen ergattert zu haben.
Da war doch noch was? Ah ja, Autos. Schnell erzählt. Opel Classic hat ikonische Fahrzeuge aus der Historie vor dem Rathaus aufgereiht. Auf dem Ausstellungsplatz, der „Eventfläche“, stehen auch ungefähr ein Dutzend Autos, fertig.
Stimmen der Event-Besucher auf unseren Social Media Kanälen:
„… so bitte nicht weiter!“ – „Es war nass, leer und ein Schatten seiner selbst!“ – „Sehr traurige Veranstaltung, wäre auch bei besserem Wetter nix gewesen!“ – „Lasst es besser sein Freunde, warum nicht wie früher?“ – Es war eine schmerzhafte peinliche Groteske“.
Die Straße runter, auf dem riesigen Parkplatz des Mainvorlandes, sind die Autos unkontrolliert verteilt. Die Range reicht dabei vom sehr schönen gepflegten Klassiker bis hin zu einem bedauernswert heruntergekommenen Gebrauchtwagen, der sich auf letzter Rille ins Oldtimerzeitfenster gerettet hat. Und wenn inmitten von Baustellenabsperrungen, Schläuchen, Mülltonnen und sonstigem Baumaterial wunderschön aufbereitete Autos platziert werden, dann kann auch bei 35 Grad und Sonnenschein keine passende Atmosphäre entstehen. Den Stil eines Baumarkt-Parkplatztreffens kann auch der Regen nicht wegspülen.
Die DNA des Klassikertreffen Rüsselsheim – Der Stadtpark und die Opel-Villen
Nicht nur der Himmel weint. Auch bei uns vermischen sich Tränen mit Regentropfen. Im Ursprungsbereich des Klassikertreffen Rüsselsheim herrscht Friedhofsstimmung. Ob dies nun an der Exklusivvergabe zweier Flächen an nur einen einzigen Automobilclub lag, dass Flächen größtenteils leer blieben, oder ob rein nur das Wetter schuld ist, können wir letztlich nicht sagen. Fakt ist aber, selbst bei Sonne und mehr Autos wird es das fröhliche Getümmel in und um den streitbaren Verna-Park nicht mehr geben. Und wenn der Park selbst immer wieder Stein des Anstoßes ist, dann lasst ihn einfach ganz weg. Die DNA des Klassikertreffens Rüsselsheim, hier am Geburtsort im Verna-Park und vor den Opel-Villen, ist mit dem neuen Konzept komplett entwurzelt.
Fürs Wetter kann die Stadt nichts – Fürs Konzept schon!
Ob strahlender Sonnenschein dieses traurige Event-Szenario verbessert hätte, weiß man nicht. Fakt ist einfach: Dieses sogenannte „Klassikertreffen Rüsselsheim 2024“ hat mit der gleichnamigen Veranstaltung der letzten zwei Jahrzehnte nichts mehr gemein! Es verkam nun im Rathaus zu einem Stadtfest mit angeschlossener Oldtimerschau, so wie es sie von der Nordseeküste bis zum Alpenvorland zuhauf gibt. Und allen fehlt genau das, was dieses Event hier in Rüsselsheim immer ausmachte: Unkomplizierte Regeln, einfach Hinfahren, eng beieinander sein, Auto an Auto, Besitzer und Autofan, diskutierend, lachend, emotionale Nähe spürend. All das bietet das neue City-Konzept auch nicht bei 30 Grad und Sonnenschein!
Alle Aufnahmen wurden zwischen 10.30 und 14.00 Uhr am Veranstaltungstag erstellt.
Hier geht es zu den Autos des Klassikertreffen Rüsselsheim.
Text: Bernd Schweickard
Foto: Bernd Schweickard, Opel media (1 Foto)